Ausstellung vom 07.06 – 08-06. in der Arneken Galerie Hildesheim. 
Die Ausstellung ist von 16 – 20 Uhr geöffnet.
Die Ausstellung wird vom 01.08 – 04.08.2019 auf dem bayimba festival of the arts in Kampala (Uganda) vorgestellt.

Im September 2019 kann die Ausstellung in Hildesheim und Berlin besucht werden.

In meiner Masterarbeit beschäftige ich mich mit der Frage, wie erweiterte Realitäten physische Räume erweitern können und wie dies die Perspektive des Einzelnen auf die Umwelt verändert. Ziel ist es, einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen, der dadurch entsteht, dass versucht wird, verschiedene Perspektiven zu einer konvergenten Realität zusammenzuführen.

Mein Beitrag dazu beim Waterkant-Festival 2020 unter: https://vimeo.com/showcase/7140246/video/426137457 ab 05:48:38

Erweiterte Realitäten können flüchtige Gedankenräume materialisieren und sie in Beziehung zur physischen Realität setzen. Dabei helfen lerntheoretische Erkenntnisse des Konstruktivismus und des didaktischen Designs, diese erweiterten Räume zu schaffen. Denn es ist wichtig zu wissen, wie wir Menschen unsere Umwelt verstehen und von ihr lernen, damit wir dedizierte Erfahrungen schaffen können. Extended Realities schaffen virtuelle Ebenen, die verschiedene Wissensabstufungen erfahrbar machen können und so die optimale Lernumgebung bieten. Es geht nicht darum, eine digitale Schicht zu schaffen, um der physischen Welt zu entfliehen, sondern darum, die Brille zu wechseln, um unsere eigene Realität auf ihren Wahrheitsanspruch hin zu überprüfen.

Zu diesem Zweck habe ich auch ein Experiment durchgeführt, um meine Theorie zu bestätigen.

Um zu prüfen, ob eine um die XR-Technologie erweiterte Ausstellung geeignet ist, Reflexionsprozesse anzustoßen, entschied ich mich, mich auf das Thema nutzerbezogene Daten zu konzentrieren. Es war mir wichtig, ein Thema zu wählen, über das es ein gemeinsames Basiswissen gibt, um für die Besuchenden einen Selbstbezug herzustellen.

Auf der Grundlage unserer Daten schaffen Unternehmen für uns eine Welt, von der sie annehmen, dass wir sie wollen. Die Handlungsmöglichkeiten in dieser Welt hängen von den Rahmenbedingungen ab, die die Unternehmen festlegen. Diese Ungleichheit im Machtgefüge schafft auch eine neue Hierarchie im Verhältnis zwischen Unternehmen und Staat. Die von den Unternehmen gesammelten Daten wollen von den Staaten genutzt werden, um die Bedürfnisse und Gefahren ihrer Bevölkerung zu antizipieren. Dadurch wird das Machtgleichgewicht zwischen den Unternehmen, die unsere digitale Umwelt gestalten, und dem Staat, der die physischen Regeln unserer Realität bestimmt, erschüttert. Diese Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen fördert eher eine transparente Bürgerschaft als ein transparentes Staatssystem (vgl. Seele 2017). Was in einer Marktwirtschaft funktionieren kann, ist auf unsere demokratische Gesellschaft nicht übertragbar – denn Demokratie basiert nicht auf Vertrauen, sondern auf Mitbestimmung. Ein Weg scheint aber die Flucht nach vorn zu sein, einerseits die Systeme mit Daten zu überladen und andererseits unsere verschiedenen Identitätsfragmente, verteilt über das Internet, auszuleben. Der erste Schritt in diese Richtung besteht darin, den Wert der eigenen Daten zu verstehen. Nicht den monetären Wert, sondern den für unsere eigene Entwicklung notwendigen.

Mein Kommilitone, Carlo Frisch, erkannte den Wert der Aufgabe, sich mit seinen ungeschönten Daten der Öffentlichkeit transparent zu präsentieren. Am 7. und 8. Juni 2019 fand die Ausstellung „Datenhoheit“ statt, die die nutzerbezogenen Daten von Carlo Frisch greifbar machte. In der Ausstellung konnten die Besucherinnen und Besucher einen Einblick in Carlos Interessen in ausgewählten Zeiträumen zwischen 2008 und 2019 gewinnen. Es bestand die Möglichkeit, Carlos‘ Daten in Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality zu betrachten/mit ihnen zu interagieren. Das sollte die Betrachtenden dazu bringen, ihre Perspektive auf Carlo zu verändern.

Ausstellung Datenhoheit Vincent Timm

Die erweiterten Realitäten schaffen es nämlich die uns vertrauten Räume zu erweitern, ihnen neue Möglichkeiten hinzuzufügen und sie in einem völlig neuen Kontext zu verstehen. Dies hilft den Lernenden, eine Perspektive auf ihr eigenes Lernen zu gewinnen. Wie motiviere ich mich selbst? Wie organisiere ich mich selbst? Welche Denk- und Schematisierungsmuster habe ich? Die Erweiterung des Ausstellungsraumes auf eine digitale Ebene führt also zur Konfrontation des Subjekts, das seine Wahrnehmungsschemata überprüft und bei Diskrepanzen anpasst. Die von mir konzipierte Ausstellung versucht, einen Impuls zu geben, das „System Mensch“ zu stören und einen individuellen (Wissens-)Konstruktionsprozess einzuleiten.

Ausstellung Datenhoheit Vincent Timm
Ausstellung Datenhoheit Vincent Timm

Weit entfernt von den vielfältigen Erfahrungen der Besucher hat dieses Projekt vor allem Carlo geholfen, eine neue Perspektive auf sich selbst zu gewinnen. Er hat also den Wert erkannt, sich mit seinen eigenen Daten zu konfrontieren. Ich möchte diesen Text mit den Erfahrungen beenden, die Carlo gemacht hat.

„Wenn ich an nutzerbezogene Daten denke, die ich im Internet hinterlasse, fallen mir abstrakte Datenbänke von unermesslichen Dimensionen, scheinbar unverbundene Informationen und Ähnliches ein. Ich habe schon lange vergessen, warum ich viele dieser Dinge im Internet nachgeschaut habe, aber sie haben zweifellos Teile meines Lebens beeinflusst. Solche Informationen können dazu verwendet werden, meine Vorlieben/Fehler/Wünsche zu analysieren, ohne dass ich je von ihrer Existenz erfahre. Vincent Timm hat mit der Ausstellung auf vielen Ebenen etwas angesprochen, was für die meisten von uns inzwischen normal geworden ist, und doch ist es für uns so neu, dass wir nur sehr wenig davon verstehen: die Digitalität der Menschen. Ich erinnere mich besonders an die Erfahrung mit der Virtual-Reality-Brille. Meinen Lebensraum und vor allem mich selbst aus einer anderen Perspektive zu betrachten, war eine extrem surreale Erfahrung. Es beschreibt gut, wie ich mich während der Ausstellung im Allgemeinen gefühlt habe: Ich hatte das Gefühl, ein Avatar für einen anderen Carlo zu sein, so als wäre ich ein Schauspieler, der sich selbst spielt. Das machte es mir leicht, mich von dem zu lösen, was gezeigt wurde und was mir sonst wahrscheinlich sehr unangenehm gewesen wäre. Es war nicht nur wie eine außerkörperliche Erfahrung (wie mit einer VR-Brille), sondern auch wie eine außerpersönliche Erfahrung. Als gäbe es nicht nur mich und die Besuchenden, sondern auch mich als jemand anderen. Alles in allem habe ich das Gefühl, mir selbst näher gekommen zu sein. Der Perspektivwechsel und die Beschäftigung mit mir selbst hat deutlich gemacht, dass ich an mich selbst keine härteren Maßstäbe anlegen muss als an andere Menschen. Mit der neuen Sicht auf mich selbst möchte ich sanfter mit mir selbst umgehen, mehr Verständnis zeigen und weniger urteilen.“

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